Die letzten Kriegstage in Haslau

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Von Albine Felbinger

Mit Beginn des Jahres 1945 rückten die Feinde von allen Seiten gegen die Mitte des Reiches vor und man sah kommen, daß unsere Heimat der letzte Kriegsschauplatz sein wird. Im Jänner wurden im Haslauer Schulhaus der Turnsaal und mehrere Klassenzimmer für Flüchtlinge aus dem Reich geräumt. Nur noch in zwei Klassenzimmern wurde abwechslungsweise unterrichtet.

Am 30. Jänner kamen 200 Flüchtlinge aus Schlesien. Nun wurde im alten Gemeindehaus im Schmiedgraben im HJ-Heim Schule gehalten. In dieser Zeit heulten täglich die Fabrikssirenen und meldeten das Herannahen von feindlichen Fliegern. Erst kamen sie nur in der Nacht, aber später, als sie nicht mehr abgewehrt wurden, auch während des ganzen Tages. Befand man sich gerade im Freien, mußte man schnell Deckung suchen. Mehreremale wurden Menschenansammlungen bei Lebensmittelgeschäften angegriffen. Die Toten wurden gleich zum Friedhof gebracht und in aller Stille in Anwesenheit des Priesters und einiger Angehöriger begraben. Tag und Nacht hörte man den Kanonendonner der Feindgeschütze, der immer näher kam. So verging der März unter allerlei Aufregungen.

Am 11. April wurde abends um 19 Uhr in der Nähe des Bahnhäuschens des Fischer Vitus ein Personenzug durch Tiefflieger beschossen. Es gab 24 Tote — lauter ungarische Hochschüler, die ins Reich flüchten wollten. Die Toten wurden in Decken eingewickelt und nach Haslau in die Friedhofskirche geschafft. Sie bekamen ein Massengrab. Ein junger Arzt, dessen Eltern auch mit in dem Unglückszug waren, wurde einzeln begraben. Beim Palme und im Schloßbräuhaus befanden sich Wehrmachtslager. Diese Lager wurden geräumt und ihre Bestände am 16. April an die Bevölkerung verteilt. In der Hammermühle war ein großes Kornlager. Das Korn wurde am 22. April an die Bevölkerung abgegeben. Da hatte man auf dem Weg zur Hammermühle als Hindernis für den Feind ein 2 m tiefes Loch gegraben und alle Leute, die Korn holten, mußten mit dem Handwagen bei Regenwetter durch dieses Loch turnen.

In den Angriffen der feindlichen Flieger trat nur selten mehr eine Pause ein, doch war unser Ort bis jetzt noch von Treffern verschont geblieben. Die Amerikaner standen schon vor Asch. Am 20. April wurde Stadt Asch besetzt. Eine Abteilung der Amerikaner rückte von Selb über Buchwald und Halbgebäu gegen Haslau vor. Am „Birke” war deutsche Artillerie-Munition aufgestapelt worden.

Am 24. April hatte der Feind bereits die bayerische Grenze überschritten und eröffnete nun ein Artilleriefeuer auf unsere Ortschaft. Der deutsche Kommandant in Haslau ließ die Hirschmühlbrücke, die Bahnbrücke im Burgstuhl sowie die Brücke über den Frauenbach beim „Kasino” und beim Gasthaus „Brusch” sprengen. Er jagte noch eine Abteilung Arbeitsdienstler gegen Hirschfeld hinaus dem Feind entgegen. Gegen 13 Uhr Mittag setzte die Beschießung von Haslau so stark ein, daß Granate auf Granate mitten in den Ort einschlug. Alle Bewohner verbargen sich in den Kellern und harrten unter großen Aufregungen der kommenden Dinge. Zwei deutsche Soldaten kamen am Abend in größter Aufregung in unseren Keller, wo 24 Personen versammelt waren, und baten um ein Versteck, aber schon fielen vor der Haustüre mehrere Schüsse, ein Amerikaner riß die Kellertüre auf und fragte nach den beiden Soldaten, die dann herausmußten und abgeführt wurden.

Der Ort Haslau wurde nun übergeben. An jedem Haus mußte eine weiße Fahne sichtbar sein. Nun atmeten wir auf, weil wir von dem Luftterror befreit waren. Anderen Tags ging ich gleich morgens zum Friedhof. Dort war an der Kapelle das Türmchen beschädigt und mehrere Fenster eingeschlagen. Das Häuschen neben dem „Drahtzieher” war arg beschädigt, die kleine Wirtschaft neben dem Bernet Bäcker war ganz zertrümmert, beim Hof des Riedl-Bauern war der Erker am Dach zerschlagen, das Kasino wies viele Treffer auf - kein Fenster war mehr ganz. Am Birkl wurde Frau Fickl, die Schwester des Reichenberger Adi, durch einen Granatsplitter in ihrer Wohnung getötet. Am Kreuzweg Hirschfeld-Frankenhaus lagen auf der Straße 4 tote RAD-Männer. In Halbgebäu und Hirschfeld hatte sich viel abgespielt. Mehrere Häuser waren in Brand geschossen worden und es kam dort zum Handgemenge mit dem Feind. Viele Familien mußten eilends ihre Wohnungen für die Besatzungen räumen.

Nun machten sich die Amerikaner daran, Geschütze aufzustellen und Zelte zu bauen. Nun eröffneten von Haslau aus das Feuer gegen Voitersreuth, Altenteich und Wildstein. Hinter meinem Wohnhaus (Adlbauer) waren auf der Wiese des Wolf Schmieds fünf Geschütze aufgestellt und nun wurde man bis zum 8. Mai oft tagsüber und während der Nacht durch Abschüsse furchtbar erschreckt. Unterhalb der Ziegelhäuser waren zwei Flugzeuge stationiert, die dort ab- und zuflogen.

Die Amerikaner hatten sich bald mit der Bevölkerung befreundet. Sie waren erstaunt, hier in der „Tschechei” ausschließlich Deutsche zu finden und erklärten mehrmals, daß man sie belogen habe. An die Kinder verteilten sie Schokolade, Zuckerln und schönes Weißbrot. Sie waren im Überfluß mit Proviant ausgestattet und ihre Küchen waren den ganzen Tag über von unseren hungrigen Kindern umlagert. In den Wohnhäusern suchten sie fleißig nach Wein und Likör.

Am 8. Mai kam dann früh durch das Radio die Meldung von der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht an allen Fronten. Nun konnte man sich wieder ohne Gefahr auf der Straße zeigen. Da tauchte ein neuer Schrecken auf: die Deutschen hatten die Wälder gegen Buchwald, Asch und Steingrün stark vermint. Unsere ahnungslosen Leute, die im Wald Holz und später Pilze sammeln wollten, wurden oft durch diese Minen schwer verwundet, meist riß es ihnen einen oder beide Füße weg. Ein junges Ehepaar (Schaller-Reinl), das in Eger durch einen Bombenangriff die Wohnung verloren hatte und nun bei seinen Angehörigen in Lindau wohnte, ging hier mit dem Vieh zur Feldarbeit. Die jungen Leute traten auf eine Mine. Der junge Mann und die beiden Orhsm wurden zerrissen, die Frau kam um die Augen. Fast jede Woche wurde ein neuer Unglücksfall gemeldet.

Die deutschen Lazarette wurden nun aufgelassen und die verwundeten Soldaten, auch die Einbeinigen, mußten zu Fuß heimgehen. Da sah man durch mehrere Wochen diese armen Menschen in ihrem elenden Zustand an den Straßen stehen und sitzen. Sie hofften, vielleicht einmal von einem Lastkraftwagen mitgenommen zu werden. Gewöhnlich aber war ihre Bitte um Mitnahme vergeblich. Eine Anzahl dieser Heimkehrer ist im Wald durch Minen verunglückt. Ein Jahr lang blieb unsere Heimat von den Amerikanern besetzt, dann übten die Tschechen daselbst ihre unumschränkte Macht aus und kühlten an uns ihren Rachedurst bis zum Neige.