Kriegsende im Rossbach und der Umgebung

Aktualisierung:

Erinnerungsbericht von Hans Teschner, des damals amtierenden Bürgermeisters

Rossbacher Heimatbote 1965

Schon im Winter 1944/45 gab es oft Fliegeralarm, manchmal zweimal in einer Nacht und viele Helfer von Luftschutz, Feuerwehr, Rotes Kreuz, Jugendmelder, Einsatzstab im Bürgermeisteramt usw. gingen manchen Morgen unausgeschlafen an ihre Arbeit, Bezugscheine gab es so gut wie überhaupt nicht mehr, nur Fliegergeschädigte hatten noch einen bescheidenen Anspruch und von diesen waren in Roßbach nur einige wenige Neuzugezogene.

Unter den Kriegsgefangenen und Fremdarbeitern machte sich in Anbetracht der näherrückenden Befreier eine gewisse Unruhe bemerkbar. Nachdem diese aber in Roßbach im allgemeinen menschlicher behandelt wurden als anderwärts, waren auch nach deren Freiwerden ganz grobe Ausschreitungen, Plünderungen oder Racheakte mit Todesfolge nicht zu verzeichnen. Zu erwähnen ist hier die vorbildliche Disziplin unter den französischen Kriegsgefangenen im Gegensatz zu den französischen Fremdarbeitern bei der Otnima. Als einige der letzteren in noch freie Plätze in die Unterkunft bei Hendlbeck in der Schmalzgrube verlegt werden sollten, verwahrten sich die Kriegsgefangenen ganz entschieden dagegen. Mit den Russen waren auch keine größeren Schwierigkeiten. Diese waren zufrieden, wenn sie genug Kartoffeln und abends eine warme Unterkunft hatten. Allerdings bezogen sie das Mehrfache an Kartoffeln und Kohlen als was ihnen nach den Bestimmungen zustand. Ein Teil der Russen war in der Landwirtschaft eingesetzt und dort hatten sie eine ausreichende Verköstigung als der Normalverbraucher.

Ende Jänner oder anfangs Feber 1945 kam es dann zum Absturz des englischen Bombers vor dem Pfarrwald gegenüber dem Ochsenrang. Abends nach einem Fliegeralarm zwischen 10 und 11 Uhr bemerkte man in nördlicher Richtung einen hellen Feuerschein, welcher nicht weit entfernt sein konnte. Von der Höhe der Pfarrfelder sah man die hellen Flammen aus den Trümmern eines Flugzeuges schlagen. Die mannshohen Gummiräder brannten lichterloh, zudem lag Schnee und die ganze Umgebung war taghell erleuchtet. Die SA übernahm dann die Absperrung im weiteren Umkreis, weil man anfangs nicht wußte, ob noch Bomben in den Abwurfschächten steckten. Der Fliegerhorst Eger wurde gleich verständigt und die bald eingetroffenen Sachverständigen gaben dann weitere Anweisungen. Inzwischen waren nur wenig vom Waldrand entfernt, zwischen den Bäumen zwei Besatzungsmitglieder aufgefunden worden, welche aber keinerlei Lebenszeichen aufwiesen. In Halbschuhen waren sie von ihrer Basis zum Einsatz geflogen. Am nächsten Tag waren wieder Leute vom Egerer Flugplatz und höhere Polizeibeamte da. Inzwischen hatte sich auch herausgestellt, daß die Bombenschächte leer waren. Wohin diese Fliegerbomben getroffen hatten, war nicht festzustellen. Ob in das vorgeschriebene Ziel, um dort Tod und Not zu verbreiten oder im Notabwurf ausgelöst. Übrigens waren die Folgen eines solchen Notabwurfes damals in der Nähe des Waldfriedens im Walde zu sehen. Die gießkannenstarken Fichten wurden rings um die Trichter in 2 – 3 m Höhe sauber geköpft.

Der Bomber aber beim Pfarrwald dürfte schwer angeschossen gewesen sein, weil er vom Bärnloher Teich ab schon ablud und auseinanderriß. Von dort ab konnten Trümmer festgestellt werden. Das Schlauchboot lag in der Nähe des hohen Steines und bei der Lazarushöhe fand man zwei weitere Flieger mit Fallschirmen tot auf. Die Fallschirme konnten sich wegen zu geringer Höhe nicht mehr ganz öffnen. Weiterhin über die Pfarrfelder war zahlreiche Munition verstreut und noch tagelang brachten die Buben Patronen einzeln und gegurtet ins Bürgermeisteramt. Das Heck mit dem Schützen lag oberhalb der Grenzschänke in den Büschen und ein weiterer Flieger fand sich noch auf dem Grunde des tief in den Boden eingeschlagenen Flugzeuges. Insgesamt waren es sechs Flieger und fünf Maschinengewehre. Einer der schweren Motoren lag eine ganze Strecke entfernt oberhalb des Ochsenranges eingewühlt im Felde.

Eine gemischte Kommission stellte dann in den nächsten Tagen den Inhalt der Taschen der sechs Besatzungsmitglieder fest, alles kam gesondert in Tüten und wurde mit Nummern versehen. Im Bürgermeisteramt wurden dann sechs Bogen angelegt mit allen Angaben der Ausweise, Tascheninhalt usw. Die toten Flieger wurden in einem Gemeinschaftsgrab in würdiger Weise beigesetzt. Es gab keinerlei Mißhandlungen der Abgestürzten. Sie konnten bei der späteren Exhumierung einwandfrei identifiziert werden. Alle diese Maßnahmen von uns waren menschlich richtig und haben z. B. Richard Landrock in der Zeit seiner Inhaftierung bei den Amis vor Wiedervergeltung bewahrt und in Roßbach hat eine alliierte Kommission den Dank für die musterhafte Durchführung ausgesprochen.

Aufgefallen ist damals, daß jeder der Flieger einen Kragenknöpf bei sich hatte. Der eine im Hemdkragen, der andere in der Blusen- oder Hosentasche, ohne, daß sie einen solchen benötigten. Bevor die Sachen nach Eger gingen, untersuchte ich einen solchen Knopf und nach Abheben der weißen Zelluloidscheibe lag darunter eine kleingefaltete Landkarte auf hauchdünnen Seidenstoff gedruckt.

Der totale Krieg hinterließ in der Öffentlichkeit und im Leben des Einzelnen immer tiefer eingreifende Spuren. Es fehlte allgemein an Rohmaterial, sowohl für die Rüstung, als auch für die Verbrauchsgüter. Viele Handwerks- und kleinere Industriebetriebe wurden geschlossen, Inhaber und Belegschaft dienstverpflichtet oder zur Wehrmacht eingezogen. Zudem waren zahlreiche Eisenbahn Verbindungen und Brücken zerstört. Die Bombengeschwader der Alliierten zogen auch tagsüber wie Mückenschwärme am Himmel dahin. Es kamen auch noch Flüchtlingstransporte aus der Slowakei und die Slowaken schwenkten dann bei Eintreffen der Tschechen auf die tschechische Seite.

In diesem Jahre setzte bald Frühlingswetter ein und es begann der Durchzug von geschlossenen Abteilungen verschiedener Truppen und von einzelnen Landsern aus und nach allen Himmelsrichtungen. Sie wurden von der Bevölkerung mit Rat und Tat unterstützt und insbesonders auf den richtigen Weg verwiesen oder geführt. Die einzige größere Einheit, die in voller Ordnung durch Roßbach gegen Asch marschierte, war eine Arbeitsdiensteinheit. Fast nur Buben mit ihren Führern und kompletter Ausrüstung in musterhafter Ordnung. Hoffentlich sind sie nicht ins Tschechische geraten, sonst wären wohl nur wenige davon heimgekommen. Eine Marineeinheit von der Nordseeküste mit 14 Fahrzeugen dagegen war ohne Offiziere getürmt, ohne einen Schuß abgegeben zu haben. Dafür hatten sie auf ihren Lkw's Sprit, Fett, Mehl und sonstige rare Sachen geladen. Sie machten sich im Ort möglichst unbeliebt.

Fahrzeuge, Fahrräder wurden willkürlich beschlagnahmt und z. T. den Besitzern auf offener Straße abgenommen. Überall waren Panzerfäuste, Schußwaffen abgelegt worden. Weil diese Funde meistens gemeldet und in Sicherheit gebracht wurden, kam es auch zu keinem größeren Unglück. Im Toffels Holz in der Finke und beim Pfannenstiel im Wald lagen gute und zerstörte Granatwerfer, Vierlingsgeschütze, Gasmasken, Stahlhelme und ähnliches. Die US-Truppen kamen immer näher und auch die Russen rückten gegen die sächsische Grenze vor. Die Betriebe wurden geschlossen und alles wirtschaftliche Leben kam zum Stillstand.

In der Übels Fabrik war ein bedeutendes Lager von Kleidung, Unterwäsche, Strümpfen, Holzsohlenschuhen, Machorka usw. eingerichtet. Heute würden wir über die Qualität dieser Sachen lächeln, aber damals waren sie recht wertvoll und gesucht. Dieses Lager mußte dann von der Verwaltung schnell geräumt werden und es wurde großzügig verteilt. Auch die Läden bekamen diese Waren kistenweise zur Verteilung. So mancher brave schlesische Flüchtling holte sich einen Handwagen voll und mußte dann im Winter froh sein, daß er das am Leib Befindliche behalten durfte, als er von den Tschechen über die Grenze gejagt wurde. Auch die SS hatte sich im Sängerzimmer bei Küß ein Nebenlager mit Kaffee, Kognak, Ami-Zigaretten, Konserven und ähnlichem angelegt, welches bei Brenzlich werden geräumt und teils verschenkt, teils verkauft wurde. Die militärische Leitung vom Kreis (mit einem Oberstleutnant an der Spitze) brachte einmal einen ganzen Berg nagelneuer Bergschuhe ins Bürgermeisteramt, aber nur in Nummerngrößen „Schlichtwannla“, welche den Roßbacher Schustern zur Gratisverteilung übergeben wurden. Trotzdem blieben die Schuhe wegen der Größe teilweise liegen. Die bereits überwiesenen Unterstützungsgelder für die Soldatenfrauen und Eltern wurden vorzeitig noch ausbezahlt. Später wollten die Tschechen die hierfür Verantwortlichen belangen und man mußte sich auf eine nie erfolgte telefonische Anweisung von Asch berufen.

Die Auflösungserscheinungen häuften sich. Beim Postwendel auf dem Marktplatz übernachtete ein Stabsarzt. Am Morgen schlug er das an der Wand befindliche Hitlerbild in Trümmer. In der Fichtners Schupfe (Schuppen) fuhr ein Leutnant mit seinem Liebchen in einem VW direkt in einen Strohhaufen ohne Rücksicht auf etwaige Brandgefahr und ein höheres Kommando der Feldpolizei quartierte sich in Friedersreuth ein. Der Oberste machte uns das Angebot, im Bedarfsfälle widerspenstige Landser zu „verarzten", obwohl die Leute allem Anschein nach selbst eine derartige Medizin nötig gehabt hätten. Man hörte auch weiter nichts von ihnen, als daß sie beim Schnapsrichter reichlich „getankt haben sollen“. Unser „Bockei“ wurde bei Freiberg von Tieffliegern beschossen und es gab einige Verletzte. Aus den Löchern im Lokkessel pfiff der Dampf weit hinaus.

Überhaupt die Tiefflieger machten sich in den letzten Tagen sehr unangenehm bemerkbar. Fast bewegungslos und tief standen sie in der Luft und verschiedene Fahrzeuge von und nach Asch wurden beschossen und die Insassen suchten schleunigst Deckung im Straßengraben. Für die Milch- und sonstige Lebenmittelversorgung machte sich das recht unliebsam bemerkbar. Der tägliche Beschuß unseres Ortsgebietes aus der Gegend Tiefenbrunn durch die Amis setzte ein. Zahlreiche Häuserschäden gab es und auch Verluste an Menschenleben (Einöde).

Einmal am Spätnachmittag erschien ein älterer Landsturmmann im Bürgermeisteramt. Er konnte kaum noch laufen und hatte den Auftrag, für ca. 1200 russische Kriegsgefangene, die bei Ebmath lagerten, auf dem Durchmarsch für die kommende Nacht in Roßbach Lagermöglichkeit zu schaffen. Dazu sollten geschlossene Räume oder eingezäunte Gärten zur Verfügung gestellt werden. 1200 Russen im Orte, das hätte unter damaligen Verhältnissen zu einer Katastrophe ausarten können. Wir gaben dem Mann erst einmal etwas zu essen, einige Zigaretten und einen Schnaps. Darauf sah er das Leben wieder etwas freundlicher an und erzählte, daß sie ganze 37 Mann Bewachungspersonal seien und natürlich bei einem Aufsässig werden der Russen mit einem Handgriff hinweggefegt wären. Wir halfen uns damals so, daß wir erklärten, daß mit Rücksicht auf die ehemalige Reichsgrenze ein Auftrag vorliege, daß derartige Transporte entweder über Adorf nach Sachsen oder über Hof nach Bayern geleitet werden sollten. Mit einem tiefen Seufzer, der durch eine nochmalige Erquickung etwas gemildert wurde, schied der brave Mann. In der Nacht sah man gegen Nordwesten in Richtung Wieden zahlreiche Lagerfeuer brennen.

Ein Offizier kommt ins Bürgermeisteramt, zieht seine Pistole und erklärt, er würde mich erschießen, wenn ich ihm nicht eine Anweisung auf 100 Liter Benzin gäbe. Ich erwiderte, dann könne er ja gleich schießen, denn es gäbe in ganz Roßbach kein Benzin und ich stellte es ihm anheim, sich selbst Benzin zu suchen. Soviel mir bekannt ist, besichtigte er auch den Bodenschlamm, welcher noch als trauriger Überrest von Benzin in der Tankstelle Hans Jäckel vorhanden war. Am Donnerstag, dem 19. 4. 1945, erschien ein Militärkommando unter Führung eines Oberleutnants im Büro. Sie brachten den Befehl, daß die Panzersperre Nr. sowieso (beim Fichtner) sofort zu schließen sei. Sie verlasen die entsprechenden Artikel, welche bei drohendem Eintreffen von fremden Besatzungen in Kraft träten. Häuser, wo weiße Fahnen ausgesteckt sind, sind dem Erdboden gleich zu machen, alle männlichen Bewohner umzulegen und ähnliche schöne Sachen. Der Befehl zur Schließung der vorbereiteten Panzersperre mußte auf alle Fälle befolgt werden, aber der Wert derselben war gleich Null. Die Panzer konnten links und rechts durch Felder und Gärten vorbeifahren und im übrigen würden die, wenn auch- schwere Baumstämme, beiseitegeschoben. Die Folgen konnten aber verheerend sein. Es war bekannt, daß die Amis bei derartigen Sperren erst einmal alle umliegenden Gebäude zusammen oder in Brand schossen. Dort oben standen allerhand Bauernhäuser u. a. Roßbach, Hanswolf, Wognershaz, Christi, dann die Häuser Zapfentischler, Neudel, Moll, Schachteldölling usw. Nach Errichtung der Sperre mußte deshalb etwas geschehen, weil die feindlichen Panzer jede Stunde eintreffen konnten. Da kam spät am Abend der große Christi vorbei und wurde hereingerufen. „Horch af Graußa, sua und sua schtäihts, wos denkst Du?“ Nach kurzem Besprechen meinte er nur: „Dös mach ma schu, brachts enk niat za sorgn“ und in der Nacht öffnete er mit Nachbarn die Sperre, welche ohnehin keinen Wert hatte.

Die russischen Kriegsgefangenen wurden in diesen Tagen merklich unruhiger, obwohl keine Widersetzlichkeiten von Bedeutung vorkamen. Die sonstige Lagerordnung ließ sich nicht mehr aufrecht erhalten. Es waren z. B. aus einem Keller in der Einöde Lebensmittel gestohlen worden und die Russen hatten sich z. T. aus der Unterkunft abgesetzt. Wir erwogen daher, diese Kriegsgefangenen in ein Sammellager abzuschieben. Unser Ortskommandant, ein älterer Oberleutnant aus dem Ascher Lazarett, versprach uns das zwar schon seit Wochen und wartete auf den diesbezüglichen Befehl. Es tat sich aber nichts. So waren wir auf unser eigenes Handeln angewiesen. Die Russen des Lagers beim Hendelsfärber und diejenigen, welche sich schon außerhalb des Lagers aufhielten, wurden daher eines frühmorgens gesammelt und dem nächsten Volkssturm zur Weiterleitung übergeben. Der Herr Ortskommandant meinte bei unserer Vollzugsmeldung nur, ob wir das auf unsere Kappe nehmen könnten. Übrigens kam ein Teil der Russen, und zwar durchwegs solche, welche bei Bauern in Arbeit und Kost standen, zurück und sie arbeiteten ruhig weiter, weil es ihnen nicht schlecht ging.

Am Freitag, dem 20. April 1945 kam es zum ersten Vorstoß der Amerikaner über die Grenze und zwar bis oberhalb Fichtner.

Die zahlenmäßig recht geringe Besatzung an Wehrmacht und einigen Volkssturmmännern von Roßbach im Arbeitsmaidenlager (ehem. tschechisches Zollamt) beim Bahnl sollten den Vormarsch aufhalten. Dazu hatte der Volkssturm außer einigen alten Gewehren einige Panzerfäuste zur Verfügung. Ein Glück war es damals, daß die Deckungslöcher, welche im nahen Schachtgelände ausgehoben werden mußten, nicht besetzt wurden. Die Amis hatten damals neue weitreichende Flammenwerfer im Gebrauch, mit welchen sie diese Löcher sauber ausbrannten. Die Wehrmachtsangehörigen setzten sich größtenteils vorher ab und die wenigen Volkssturmmänner waren nach kurzem auch gezwungen, sich vor den anrückenden Panzern nach Roßbach zurückzuziehen. Die Panzer und Jeeps schossen bei ihrer weiteren Vorfahrt auf alles, was sich auf der Straße und daneben bewegte. Ein junges Menschenleben fiel dabei dem Kriegsgeschehen zum Opfer. Der Unteroffizier Bott aus Gaustadt bei Bamberg erhielt in der Nähe des Hauses Thümmler einen Bauchschuß und starb kurz danach. Seine Eltern wurden später von Roßbacher Gemeindebediensteten davon verständigt, wann und wie ihr Sohn sein Leben lassen mußte. Die Amis zogen sich dann wieder zurück.

Im Orte war die nervöse Spannung aufs Höchst gestiegen. Sowohl bei den Einheimischen, als auch bei den Fremdarbeitern und Kriegsgefangenen. Nunmehr mußte man jede Stunde mit der Besetzung rechnen. Am 21. 4. 1945 war es so weit. Gegen 13.30 Uhr wurde ich von dem Einmarsch verständigt und traf beim Pfeifenhofmann auf die Spitze. Vorneweg ein Offizier mit rotem Halstuch, die Pistole in der Rechten. Kapitän Canne, wie ich später erfuhr. Nach der schroffen Frage: „Wo sind weiße Fahnen?“ erhielt ich einen Kinnhaken und wurde in den Spitzenjeep bugsiert. Erst gings dann zum Schulhaus und dann auf den Parkplatz, wo inzwischen die sämtlichen Panzer aufgefahren waren. Ich mußte auf einen Panzer steigen und sollte dort der Bevölkerung befehlen, weiße Fahnen an den Häusern anzubringen. Das war natürlich eine ganz böse Sache, denn der Wehrwolf geisterte umher, was aus einer kurz vorher in Tiefenbrunn durchgeführten Aktion durchsickerte. Ich verkündete daher, daß der Herr Kapitän wünsche, daß weiße Fahnen gehißt werden sollen, was dann auch teilweise durchgeführt wurde.

Darauf wollte man das Bürgermeisteramt kontrollieren und einer der dazu Bestimmten schnitt als erstes mit seinem HJ-Messer die beiden Telefone ab. (Sie mußten nach 2 – 3 Tagen wieder geflickt werden.) Überhaupt hatten die meisten der Besatzer ein HJ-Messer oder einen SS-Dolch umhängen.

Inzwischen machten die Panzer eine Erkundungsfahrt durch den Ort und schoben dabei die schweren Straßenrandsteine kreuz und quer aus den Lagern und verursachten auch sonstigen Schaden. Die Zivilfranzosen hatten auf der Post das Dienstzimmer des Volkssturmes aufgebrochen und schlugen die alten Gewehre kurz und klein. Am darauffolgenden Sonntagfrüh, es war noch dunkel, wurden bei uns im Franken-Haus in der Schmalzgrube ohne jede Ankündigung die Füllungen der schweren Haustür eingeschlagen. Auf die Frage, was los sei, hieß es: Der Wehrwolf ist da und wenn eine weiße Fahne am Hause sei, werde ich umgelegt. Es war aber keine Fahne da. Ich wurde dann mitgenommen. Es waren ein Unteroffizier und einige Hitlerjungen in Wehrmachtsuniform. Bei dem Weg durch den Ort schossen sie gelegentlich einmal durch ein Fenster, wo eine weiße Fahne war und im übrigen requirierten sie Lebensmittel und zum Transport einen Handwagen. Sie lagen in den Wäldern gegen Adorf und Markneukirchen. Wahrscheinlich hatten sie Hunger. Beim Sandig seinem oberen Garteneck entließen sie mich.

In der Folge residierten in Roßbach ständig wechselnde Ortskommandanten (meist First-Leutnants). Es kam zu Plünderungen in der Uebels-Fabrik durch Polen, welche von irgendwoher gekommen waren und die sich hauptsächlich in den Wohnbaracken auf dem Arbeiterturnplatz eingenistet hatten. Auch eine Privat-Wohnung in der Teppichfabrik wurde geplündert, wobei nicht nur Fremde beteiligt waren.

Vor dem Bürgermeisteramt und in der Kartenstelle war in der Folge immer reger Betrieb. Alle im Ort befindlichen Fremdarbeiter, Kriegsgefangenen usw. mussten weiter versorgt werden und die unzähligen Durchziehenden holten sich für einige Tage Lebensmittelkarten. Die Endergebnisse des Krieges und die Auflösung aller Ordnung hatten viele Tausende auf die Landstraßen geworfen. Die meisten trugen Braunhemden, so daß es manchentags hieß, vor dem Bürgermeisteramt ist heute deutscher Tag. Bauern, Kaufleute u. a. hatten schwere Sorgen und Vorwürfe zu erdulden, wenn sie das Wenige, welches auf der Lebensmittelkarte stand, zuteilen sollten.

Die Amis dagegen lebten in Saus und Braus. Bei der Essens-Verteilung faßten sie aus den Kochkisten 4 – 6 Gänge meist warm, dazu Rauchmaterial, Getränke in schweren Mengen. Überschüssiges Essen, Brot, große Fettmengen wurden in den ersten Monaten vernichtet, weil jede Fraternisierung mit der Bevölkerung streng verboten war.

Die Kinder merkten aber nach einiger Zeit, daß es auch anders gehen konnte und an jedem Nachmittag stellten sich bei der Turnhalle zahlreiche Buben und Mädchen ein, welche mit ihren Blechgefäßen und Löffeln einen Heidenkrach vollführten und dann einen Schlag vom übriggebliebenen Essen erhielten.

Die Besatzungseinheiten wechselten ständig. U. a. hatte eine Panzertruppe einmal 16 schwere Brocken in Reih und Glied auf dem Turnplatz aufgestellt. Zufahrt war die Mühlgasse hinauf bis zur Abzweigung Pfarrwald und wieder abwärts zur Turnhalle. Bei der Räumung fuhr ausgerechnet der letzte Panzer einen der massiven Torpfeiler um. Das war wohl nicht ganz zufällig.

Hans Teschner